Utl.: Der Prager Außenminister über falsche Signale
Der tschechische Außenminister Jan Lipavský hat in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ einen bemerkenswerten Beitrag geschrieben. Der Politiker von der Piratenpartei (Jahrgang 1985) plädierte eindringlich dafür, die russischen Kriegsverbrechen vor einem Internationalen Strafgerichtshof anzuklagen, um die „nachhaltig verwundeten Gerechtigkeitsgefühle langfristig zu heilen“. Er spricht von „Zeugnissen des blanken Horrors“. Recht hat er, seinem Urteil kann man sich nur anschließen.
Lipavský: „Es wäre selbstverständlich besser, wenn es der Weltgemeinschaft gelingen würde, dass solche grausamen Verbrechen überhaupt nicht stattfinden. Aber auch die spätere Justiz ist besser als gar keine.“
Da muss man einhaken. Denn blanker Horror war auch das, was der sudetendeutschen Volksgruppe nach Kriegsende angetan wurde. Und das alles geschah in einer Zeit, als die Waffen schwiegen. Auf eine Heilung verwundeter Gerechtigkeitsgefühle wartet man bis heute.
Die tschechische Justiz hat wenig bis gar nichts zu einer Heilung beigetragen. Minister Lipavský spart dieses Thema in seinem „FAZ“-Beitrag, der auf die russischen Gräueltaten in der Ukraine rekurriert, diplomatisch aus. Aber man spürt, dass ihm die blinden Stellen in der „Vergangenheitsbewältigung in Europa“, auch in seiner Heimat, wohlbekannt sind, er sich aber noch nicht ganz traut, direkt darauf hinzuweisen. Denn die Beneš-Dekrete sind in Prag zu einem wesentlichen Teil der tschechischen Staatsräson erklärt worden. Sie gelten als „unantastbar“. Und es gibt Gerichte, die noch immer mit den Dekreten argumentieren und auf ihrer Grundlage Urteile fällen. Immerhin: Minister Lipavský erinnert an die Lektion, die „wir seit dem Zweiten Weltkrieg gelernt haben“. Er sagt, diese Lektion gelte es auch in Zukunft zu beherzigen. „Aus falschen Rücksichten oder einfach aus Bequemlichkeit darauf zu verzichten, ist das falsche Signal.“ Nochmals: Recht hat er. Nehmen wir den Minister beim Wort! (fac)
Hier können Sie den ganzen Beitrag aus der „FAZ“ vom 28.9. nachlesen.
Sudetendeutscher Pressedienst (SdP)
4.10.2022
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P.S.
Wir haben nach 1945 in Friedenszeiten Verbrechen begangen, die mit Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit vergleichbar sind oder diese sogar übertreffen. "Friedensverbrechen" klingt seltsam. Die Tschechoslowakei setzte sie nach dem Krieg in Form eines Völkermords an 1/3 der eigenen Bevölkerung um. JŠ
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