Mit dem „Anschluß“ von Österreich an das Deutsche Reich war am 12. März 1938 eine gefährdete geopolitische Lage für die „Tschecho-Slowakei“ als angemaßten Nationalstaat entstanden.
Die Volksabstimmung am 10. April dazu in ganz Deutschland brachte eine zunehmende Unruhe in die wirtschaftlich vernachlässigten sudetendeutschen Randgebiete. Deshalb stellte die „Sudetendeutsche Partei“ alle Versammlungen und Kundgebungen ein, um Zusammenstöße zwischen den Deutschen und der immer massiver auftretenden tschechischen Staatsmacht zu vermeiden, obwohl die sudetendeutschen Sozialdemokraten (DSAP) und Tschechen nicht auf Kundgebungen verzichteten, um die ČSR in der Öffentlichkeit und nach außen zu stützen.
Der Bund der Landwirte, die Gewerbepartei und die Christlich-Sozialen traten aus der Regierung in Prag aus und schlossen sich der SdP an, die damit mit 55 Abgeordneten die stärkste Partei der ČSR wurde. Auch die DSAP verlor Mitglieder, konnte sich aber unter dem neuen Vorsitzenden Wenzel Jaksch wegen der Verfolgung der SPD im Deutschen Reich nicht anschließen. Jaksch überreichte aber dem britischen Botschafter in Prag ein Papier über die geringen Chancen einer aktivistischen Politik an der Seite der Tschechen und warnte vor Hungerrevolten von sudetendeutschen Arbeitslosen, wenn die Prager Regierung nicht endlich Sozialmaßnahmen gegen ihre Not in Gang setzen würde. (Die Sudetendeutschen stellten seit 1930 bei 25 Prozent der vierzehn Mill. Staatsbürger 67 Prozent der Arbeitslosen – 500.000 von 750.000.)
Am 28. März empfing Hitler zum ersten Mal Konrad Henlein, der nur mit Ribbentrop gerechnet hatte. Er mischte sich nicht in die berechtigten Forderungen der SdP ein, die im Verbund der ČSR eine Gleichberechtigung aller Staatsbürger verlangte. Die dreieinhalb Millionen Deutschen wollten wie die sieben Millionen Tschechen auch „Staatsbürger“ mit vollen Rechten sein.
Im Prager Parlament kam es erstmalig am 29. März zu einer gemeinsamen Protestaktion aller sieben Millionen „Minderheiten“ (Deutsche, Slowaken, Madjaren und Polen) gegen die tschechische Vorherrschaft. Gegenüber englischen Besuchern äußerte Henlein auf die Frage, ob er jetzt nach zwanzig Jahren Unfreiheit den Anschluß der Sudetendeutschen an das „Reich“ wolle: „Ich lasse mich nicht von meinen Gefühlen, sondern nur von dem politisch Machbaren leiten.“
Für das Wochenende vom 23. / 24. April hatte die SdP ihren Parteitag bei den Behörden im weltbekannten Karlsbad bei den Staatsbehörden „angemeldet“: Er wurde unter der Auflage genehmigt, Massenkundgebungen zu unterlassen. Viele Deutsche kamen aber unaufgefordert, um zu erfahren, wie die SdP und ihr Vorsitzender Konrad Henlein die neue Lage einschätzten. Die Tage waren von Referaten im internen Kreis gefüllt. Erst zum Abschluß sprach Konrad Henlein im Theater. Der Text der Rede (36 Druckseiten) war schon vierzehn Tage vorher dem Ministerpräsidenten Hodza zugespielt worden, der ihn nicht beanstandete.
Viele konnten die Rede nur draußen über Lautsprecher hören. Henlein berief sich auf das von Präsident Wilson 1918 verkündete Selbstbestimmungsrecht und reklamierte es heute für die Sudetendeutschen. Er erwähnte, daß die 22 Beschwerden und Denkschriften an den Völkerbund in Genf nichts gebracht hätten und das Volksgruppenrecht in Prag seit einem Jahr verschleppt würde. Er forderte eine Abkehr der tschechischen Politiker von dem Geschichtsmythos „Vorkämpfer der Slawen gegen die Deutschen“ zu sein und verlangte die in St. Germain 1919 versprochene „zweite Schweiz“ mit Neutralitätspolitik zu den Nachbarn.
Dann legte er seine acht Punkte für einen Ausgleich zwischen Deutschen und Tschechen vor:
1. Herstellung der vollen Gleichberechtigung und Gleichrangigkeit.
2. Anerkennung der sudetendeutschen Volksgruppe.
3. Feststellung und Anerkennung des Siedlungsgebietes.
4. Aufbau einer sudetendeutschen kommunalen Selbstverwaltung.
5. Schaffung von Schutzbestimmungen für Staatsangehörige außerhalb geschlossener Siedlungsgebiete (Volkstumsinseln, z.B. Iglau, und in großen Städten: Prag, Brünn u. a.).
6. Beseitigung des Unrechts, das den Sudetendeutschen seit 1918 zugefügt wurde, und Wiedergutmachung der Schäden.
7. In deutschen Gebieten deutsche öffentliche Angestellte (Post, Bahn, Polizei, Forst).
8. Volle Freiheit des Bekenntnisses zum deutschen Volk und zur deutschen Weltanschauung.
Damit wurde die Befreiung von der Unterdrückung durch den tschechischen Staat gefordert.
Das war das letzte Angebot zu einer Volksgruppendemokratie, von den tschechischen Politikern und ihrer Presse abgelehnt, weil es ihre Vorherrschaft beendet hätte.
Warum hat man die SdP und Henlein nicht beim Wort genommen? Stattdessen rüstete man die „Rote Wehr“ in den sudetendeutschen Gebieten mit Gewehren aus, verstärkte die Polizei, steuerte auf eine Mobilmachung gegen Deutschland und Besetzung der sudetendeutschen Gebiete Anfang Mai zu. Henleins Vorschläge hätten zu dem versprochenen „Schweizer System“ führen können, und Hitlers Eingreifen, ja den Marsch in den Zweiten Weltkrieg erspart. Edvard Beneš schlug die Chance aus, den Mehrvölkerstaat ČSR demokratisch zu legitimieren.
Georg K. Schmelzle
Sudetendeutscher Pressedienst (SdP)
Sudetendeutsche Landsmannschaft in Österreich (SLÖ)
Bundespressereferat: A-1030 Wien, Steingasse 25
Telefon: 01/ 718 59 19 * Fax: 01/ 718 59 23
E-Mail: Tato e-mailová adresa je chráněna před spamboty. Pro její zobrazení musíte mít povolen Javascript.
Wien, am 7. Oktober 2013
Komentáře
and let me tell you, you've hit the nail on the head.
The issue is something that too few people are speaking intelligently about.
I'm very happy I found this in my search for something regarding this.
RSS informační kanál komentářů k tomuto článku.