Bevölkerungs- und Vermögensverluste – Rechtsgutachten zu den Benesch-Dekreten - Die Nürnberger Rechstspechung
Zur Ansicht bringe ich ihnen ein Vorwort und drei Kapitel von kürzlich veröffentlichten Buch Unvergessliche Heimat Sudetenland (Verlag GM Guiedemedia, Pavel Kamas in Brünn), von Autoren Hans Mirtes und Alfred Oberwandling. Es erschien zweisprachig in einem Buch.
Vorwort
Namhafte Historiker, Staatsrechtler und Wissenschaftler stellen hier aus vielerlei Blickrichtungen „Europas unbekannte Mitte“ vor, um sie eben „bekannter“ zu machen. Sie zeichnen ein umfassendes Bild jenes „Kontinents im Kontinente“ (Goethe), in welchem immer wieder historische Ereignisse angestoßen bzw. Entwicklungen vorgeprägt wurden und sich europaweit ausgewachsen haben. Es spannt sich ein weiter Bogen über Geschichte, Volkstum, vor allem über das Schicksal der um die 800 Jahre dort lebenden Deutschen und über eine oft fragwürdige Politik hinsichtlich Bürgerrechte, Eigentum, Sprache, Bildung, soziale Sicherheit u.a. Anschaulich aufgerollt wird die Bedeutung des Raumes, seine wechselnde politische Zugehörigkeit neben der Rolle der nationalstaatlichen Idee mit den oft genug für die Deutschen verhängnisvollen Versuchen, neue Ordnungsformen zu schaffen, die aber statt „gleich berechtigter Volksstämme“ nur große „Minderheiten“ hervorbrachten, über die sich die Willkür eines „Staatsvolkes“ wölbte.
Aufschlussreich erscheint die Darstellung der Siedelgebiete im genannten Raum in vorhussitischer Zeit, der nationalen Zusammensetzung einiger Städte, der Herkunft und vorherrschenden Berufe der Deutschen als Kulturträger, vor allem der Bürger von Prag.
Eingehend beleuchtet wird die Bevölkerung jener Landstriche, die 1930 zu den dichtestbesiedelten Gebieten Europas zählten, was vor allem ihrer Industrie und der Braunkohlengewinnung zu verdanken war, während die eher landwirtschaftlich geprägten Randlagen dünner bewohnt waren. Die Bevölkerungsentwicklung lässt sich zudem an den Eingemeindungen tschechischer Dörfer aus dem Umland der Städte und die von Staats wegen betriebene Tschechisierung vieler Lebensbereiche ablesen.
An besonderem Kartenmaterial wird die Verbreitung des deutschen Stadtrechts z. B. nach Magdeburger, Leobschützer oder süddeutschem Recht erkennbar. Ähnliches gilt für die Bedeutung des deutschen Bergrechts zur Hebung mannigfacher Bodenschätze.
Es ist wohl wenig bekannt, dass ungefähr 76 % der k. u. k. Industrie in den Sudetenländern beheimatet waren. Dabei erreichte etwa der durch den Einfluss des Vulkanismus möglich gewordene Kaolinabbau für die Porzellanerzeugung besondere Wichtigkeit. Hoch entwickelt waren ja auch die Eisenwaren-, Maschinen-, Fahrzeug-, Elektro-, Glas- und Schmuckindustrie. Zu erwähnen wären ferner die chemischen und feinkeramischen Produktionsstätten.
In den Texten werden desgleichen die deutschen Wissenschafts- und Kultureinrichtungen in Böhmen und Mähren-Schlesien hervorgehoben, ihre Ausstrahlung auf die gesamtdeutsche, ja europäische Geisteswelt. Die Betrachtung erstreckt sich vom Einfluss der Hofkanzlei Karls IV. auf die deutsche Sprachentwicklung, schließt die genialen Baukünstler von Peter Parier bis zu den Dientzenho- fers ein, nennt die genetischen Entdeckungen Mendels, die Erfindungen Ressels oder Porsches. Die wissenschaftlichen, kulturellen und industriellen Leistungen lassen ein gediegenes Schulwesen als Voraussetzung vermuten. Nicht ohne Grund entstand gerade in Prag die erste Universität nördlich der Alpen (1348), die erste Technische Hochschule, die Musikakademie und ein überaus vielfältiges Fachschulwesen in allen Landesteilen.
Der Pflege der Kunst, so erwähnt der betreffende Autor, wurde ein hoher Stellenwert zugemessen, seien es der mittelalterliche Sakralbau, die Orientierung Böhmens nach dem katholischen deutschen Süden, vor allem dem österreichischen Barock im 17. und 18. Jahrhundert oder die große Verbreitung der barocken Freskenmalerei.
Die größere Hälfte des Werkes widmet sich dem Fragenkreis der Sudetendeutschen im Besonderen und beweist, wie die Herrschaft der Habsburger von 1526 an die staatliche Ordnung konsolidierte und nationale Gegensätze zu neutralisieren imstande war. Einsichtig erläutern die Texte das Erstarken der Bauernschaft und der Kleinbürger im 19. Jahrhundert, auch wie vor allem die Romantik bei den Tschechen nationale Kräfte freisetzte und deren Streben nach Vormachtstellung selbst in den deutschen Gebieten begünstigte, so ab 1848 die sudetendeutsche Frage brennend machte. Darum kam es in Böhmen nicht zu einem Ausgleich wie 1905 in Mähren. Die nationalen Spannungen zwischen den sich als „Staatsvolk“ dünkenden 7,5, Millionen Tschechen und den „Minderheiten“, darunter 3,5 Millionen Deutsche, verschärften sich. Dazu trug die Verweigerung von Plebisziten ebenso bei wie das politische Gewicht Frankreichs, das ja die Trennung von Österreich schließlich aus strategischen Gründen durchsetzte.
Tschechische Politiker bezeichneten des Öfteren unverblümt ihren Staat als eine Insel der Demokratie. Bei solcher Euphorie mögen sie geflissentlich deren Defizite übersehen haben. Man war wohl über allem seit der Staatsgründung 1918 darauf bedacht, sich als „Staatsvolk“ einzurichten und alle anderen okkupierten Nationalitäten auf einen Minderheitenstatus herabzustufen. Im Verlauf der Tschechisierung zog man gegen die deutsche Sprache zu Felde, gegen deutsche Arbeitsplätze, überfremdete die deutsche Wirtschaft durch tschechisches Kapital, wandte sich gegen deutschen Besitz durch die Bodenreform; immer mehr landwirtschaftliche Betriebe gelangten über staatliche Förderung in tschechische Hand; eine Vielzahl deutscher Schulklassen wurden geschlossen, die Finte mit den Minderheitenschulen bevorzugte nahezu ausschließlich tschechische Neugründungen durch Versetzung von Beamtenfamilien in deutsche Orte, während deutsche Beamte entlassen wurden, da sie nicht von heute auf morgen Tschechisch lernen konnten. Die Texte bestätigen die bevorzugte Beschäftigung von Legionären, die von der Plünderung Sibiriens zurückgekehrt waren, im Staatsdienst. Der altösterreichische Wirtschaftsraum war zerstört, sein Industriepotential, soweit es eben in den Sudetenländern lag, durch entsprechende Gesetzgebung tschechisiert, so dass A. J. Toynbee 1937 die CSR als undemokratisch kritisieren konnte.
Da habe das Jahr 1938 die ersehnte Revision des Unrechts von 1918 durch England, Frankreich und Italien gebracht, eine notwendige Maßnahme, wie sie das vorliegende Werk auf Grund vieler ausländischer Stimmen rechtfertigen kann. Viel wurde über das Münchner Abkommen geredet, aber kaum jemand kenne die vertraglichen Realitäten zuverlässig. Das Buch räumt mit den geläufigen Geschichtsverdrehungen auf.
Die Autoren wenden sich gegen die gängigen vereinfachenden Thesen wie „Ohne Hitler keine Vertreibung“, denen nicht nur Altkanzler Kohl huldigte. Der Uneingeweihte erfährt mit Staunen von den jahrhundertealten tschechischen Bestrebungen nach „ethnischer Säuberung“. Man erfährt von der verhängnisvollen Rolle Masa- ryks, der verlogenen Argumentation tschechischer Politiker und deren Überheblichkeit seit 1848: „Herr in Böhmen ist der Tscheche“, dem üblen Verhalten von Kirchenvertretern, von den Aussagen des selbst ernannten Präsidenten Beneš in Tabor „Werft die Deutschen aus ihren Wohnungen ...“, was ein Großteil seines Volkes auch befolgte. Die Tschechen nutzten also nach dem Zusammenbruch des Reiches 1945 die Gunst der Stunde, zumal ihre Volksvertreter darin eine einmalige Chance erblickten und sie als willkommenen historischen Augenblick apostrophiert hatten. Nun würden sich alle Tsche- chisierungswünsche erfüllen lassen, wobei man auf weitgehende „Sympathien der freien Völker“ zählen zu können hoffte. Dies, wenngleich sich die chauvinistische Vorstellung des Militärexperten und Journalisten Hanuš Kuffner, auch den Deutschen im Reich nur ein „Reservat“ zuzubilligen, nicht erfüllte. Davon scheinen deutsche Medien und deren Polithistoriker kaum hinlängliche Kenntnis zu haben. Der tschechische Staat hatte sich seit langem als Vorposten der östlichen slawischen Nationen gefühlt mit dem nie aus den Augen verlorenen Ziel, das politische Deutschland zu entmündigen. Es gelang wenigstens die Vertreibung der Sudetendeutschen als geplanter Genozid.
Die Entrechtung der Sudetendeutschen in Böhmen und Mähren- Schlesien durch die menschenverachtenden Beneš-Dekrete zeigt sich als eine logische Folge dieser Entwicklung mit der Konfiskation allen Vermögens, auch der Einziehung aller Sparkonten; der Neubesiedlung des Bodens durch Tschechen und Slowaken; der Zwangsarbeit für die Deutschen; der Auflösung der deutschen Universität und der Straffreistellung von tschechischen Verbrechern für jedwede Untat an Deutschen.
Gegen all dies hätte das geltende Völkerrecht gestanden. Die staatliche Ordnung hätte u.a. aufrechterhalten werden müssen; Kollektivstrafen für ein ganzes Volk waren darin nicht vorgesehen. Die tschechische Politik hat sich um keines der Gebote geschert, sie hatte ja völlige Verfügungsgewalt über die Deutschen, kein Recht und kein Sieger- Richter hatte sich offensichtlich wirkungsvoll dagegen verwahrt. Das Vertreibungsunrecht besteht ungesühnt bis heute. Man wird erinnert: In Nürnberg wurden ja nur die den Deutschen angelasteten Kriegsverbrechen geahndet, obwohl doch das Völkerrecht für alle gleichermaßen gilt. Das Londoner Abkommen verbot Mord und Misshandlung Verbrechen gegen die Menschlichkeit (eigentlich Menschheit), ebenso Ausrottung, Deportation, Versklavung und Ähnliches. Zur Zeit des Beschlusses war in der ČSR die Vertreibung in vollem Gange.
Das Werk listet die Opfer der Sudetendeutschen auf, desgleichen die Vermögensverluste, welche am 8. Mai 1945 19,3 Milliarden $ betrugen, also mehr als der Marshallplan (ERP-Programm) an 14 europäische Staaten vergab.
Sie hätte ein großer Wurf werden sollen, die tschechoslowakische Idee. Sie schlummerte, wie das Buch nachweist, vor allem im Ränkespiel tschechischer Politiker vom Schlage Masaryks und Beneš, schon 1918 mit unverschämten territorialen Forderungen aufzutreten, was sich Anfang der 40er Jahre wiederholen sollte. Das Intermezzo von 1938/39 hat man offensichtlich gut verschleiert. Die Slowakei war ja seit 1939 schon einmal selbständig, dennoch sprach man bekanntlich von der Fortexistenz der ČSR von 1918, was auch der deutsche Außenminister Genscher nicht besser zu formulieren vermochte. Peinlich mutet da das Ende der (eigentlich 3.) ČSR von 1992 an, als die Slowakei sich erneut vom tschechischen Teilstaat löste. Übrigens hat sich niemand darüber aufgeregt. Als aber die Deutschen die tschechische Unterdrückung 1938 nicht mehr ertragen wollten, hat man deren Abschied als Illoyalität, als Kriegsgrund gebrandmarkt. Die ČS-ldee hat sich schließlich doch in den Kürzeln Č-SR-ČSR-Č-SR-ČSR-ČSSR-ČSFR-ČZ erledigt.
Der sich deutscherseits ergebende Forderungskatalog, wissenschaftlich im Auftrag der bayerischen Staatsregierung als Schirmherrin über die Sudetendeutschen erstellt, postuliert das Selbstbestimmungsrecht mit dem Recht auf Heimat, Minderheitenschutz, Regulierung der Vermögensfragen, weshalb ein genereller Verzicht auf alles und jedes weder gerecht noch friedensfördernd sein könne. Als dringliche Forderung gilt die Aufhebung der Enteignungsdekrete. Der Katalog empfiehlt eine Klärung dieser Fragen auf dem Vertragsweg durch die Bundesrepublik als Obhutsmacht. Dies würde von den Sudetendeutschen begrüßt werden können, zumal sie deren Politik gegenüber der ČZ nach Meinung vieler bisher im Stich gelassen hat. Die ČZ brauchte sich darum auch auf kein Entgegenkommen einzulassen, da ja wirklich bindende Beschlüsse zu den Forderungen weder von der bundesdeutschen noch der sudetendeutschen Politik dazu vorlägen.
Zur Abschaffung der Benesdekrete als Grundlage für die Vertreibung von 3,2 Millionen Deutschen gibt es Rechtsgutachten und Resolutionen von Wissenschaftlern, vom EU-Parlament und dem US-Repräsentantenhaus; man kennt die Kopenhagener Kriterien mit ihren Grundsätzen für Menschenrechte, die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts u. a. Sie alle halten fest, was die ČZ hätte erfüllen müssen, um in die EU aufgenommen zu werden. Sie hat es jedoch mehrfach höhnend abgelehnt, sich daran gebunden zu fühlen, verharrt auf Unrechtsdekreten als Grundlage ihrer staatlichen Existenz und ist trotzdem freudig in die „Wertegemeinschaft“ der EU aufgenommen worden. An Gestohlenem - so eine alte Weisheit – kann man aber kein Eigentumsrecht erwerben und Mord verjährt nicht, trotz des tschechischen „fortgeltenden“ Straffreiheitsgesetzes.
Es bestehe nach wie vor die Auffassung des Sudetendeutschen Rates, dass die Sudetenfrage nicht erledigt ist, auch wenn man sie im Staat der Tschechen als für alle Zeiten gelöst betrachtet. Freilich, alle Ausgleichsversuche seit 1848 sind gescheitert. Man hoffte in Prag, der verlorene Krieg von 1945 könnte alle Probleme lösen, die Großmächte würden die Beraubung und Vertreibung legalisieren. Aber nicht das Potsdamer Protokoll hat jenes Menschheitsverbrechen angeordnet, auch wenn sich die Tschechen und ihre Repräsentanten bis heute dahinter zu verstecken suchen. Die Sudetenfrage harrt noch immer ihrer Lösung.
E. Korn
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Bevölkerungs- und Vermögensverluste
Bevölkerungsverluste
Es mag nur teilweise verständlich sein, dass die Wissenschaft in den europäischen Ländern, vor allem in den Vertreiberstaaten, hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung und der Opferzahlen verursacht durch die Vertreibung, sehr zurückhaltend ist. Sie müsste dann zu dem Schluss kommen, dass die Vorgänge um die Vertreibung als Völkermord an den Sudetendeutschen eingestuft werden müssen. Nur der amerikanische Völkerrechtler De Zayas hat sich ausführlich mit dieser Problematik beschäftigt. Die Zahl der ermittelten Opfer weicht in den verschiedenen Darstellungen nur geringfügig voneinander. Bereits in der „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost- Mitteleuropa“, herausgegeben vom Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (1957), wird eine vorläufige Zahl von 225.600 Vertreibungsopfern genannt. Alfred Bohmann (Das Sudetendeutschtum in Zahlen, 1959) kommt nach genauer Analyse, wie Bevölkerungsentwicklung 1939-1945 und zwar: der reichsangeschlossenen sudetendeutschen Gebiete, dem Protektorat und dem Olsagebiete, der Bevölkerungsentwicklung bis 1945 sowie Kriegsverlusten, zu Vertreibungsverlusten von 241.000
Sudetendeutschen. De Zayas kommt zu dem Ergebnis, dass im Zuge der Vertreibung 1945/46 aus der Tschechoslowakei es insgesamt 1.125 Internierungslager (koncentrační tábor = Konzentrationslager), 846 Arbeitslager und 215 Gefängnisse gab, in denen insgesamt 350.000 Deutsche festgehalten wurden.
Mag das hier nicht zu beschreibende Leid verbunden mit den unfassbaren Misshandlungen im Zuge der Vertreibung (nach Bohmann 3.054.000 überlebende Sudetendeutsche) Millionen von Menschen individuell erfasst und Hunderttausenden den Tod gebracht haben, für die Beurteilung des personellen Ausmaßes der Vorgänge ist wichtig zu wissen, dass der so genannte Bevölkerungstransfer eine kollektive Maßnahme gewesen ist, die sich auf das Kollektiv der Sudetendeutschen - unabhängig vom individuellen Status seiner Mitglieder - bezogen hat. Oder mit anderen Worten: Der „Transfer“ hat eine nationale und ethnische Gruppe erfasst, sie ganz oder teilweise, jedenfalls in ihrer angestammten Heimat vernichtet.
Vermögensverluste
Bereits 1947 hat ein Team aus Wissenschaftlern und Wirtschaftern aus allen Gebieten des sudetendeutschen Raumes im Rahmen der Wirtschaftshilfe GmbH München, eine Denkschrift unter dem Titel „Berechnung des Volksvermögens der Deutschen in der Tschechoslowakischen Republik“ erstellt. Spätere Autoren wie Er- marcora, Kühn und von Wolmar greifen zum Teil auf vorgenannte Untersuchung zurück und kommen auf nahezu gleiche Vermögensverluste.
Welche Wirtschaftskraft und welche Vermögenswerte sich in den Sudetenländern befanden, geht schon daraus hervor, dass in Industrie und Gewerbe 54% der Berufstätigen beschäftigt waren, nur die Schweiz hatte einen ebenso großen Anteil, während es in Belgien 48% und in Deutschland 40% waren. Nach einer Untersuchung des tschechischen Wirtschaftspublizisten (J. Hajda) waren 1927
66% des Steinkohlenbergbaus
70% der Hütten- und Stahlwerke
80% der Zementindustrie
100% der Posamentindustrie
90% der Porzellanindustrie
70% der Schwerindustrie
85% der Glasindustrie
80% des Braunkohlenbergbaus
90% des Textilmaschinenbaus
89 % der gesamten Textilindustrie und
100 % der Seidenindustrie
in deutscher Hand ehe sie durch verschiedene wirtschaftspolitische Maßnahmen, wie staatliche Subventionspolitik, Vergabepraxis bei staatlichen Aufträgen zugunsten tschechischer Unternehmen oder Banken und Konzernpolitik im Laufe der 20 Jahre der Ersten Tschechoslowakischen Republik zu tiefen Eingriffen in den sudetendeutschen Wirtschaftsbestand führten.
Es ist im Rahmen dieser Darstellung nicht möglich, auf verschiedene Detailfragen und Bewertungsfragen einzugehen. Man kann nur ein Gesamtergebnis der Vermögensverluste anführen, wobei sich folgende Vermögenswerte in us$ auf Basis $ zu RM aus den Jahren 1938 und 1945 ergaben, die aufgrund verschiedener Dekrete den Sudetendeutschen pauschal enteignet wurden. Es muss hinzugefügt werden, dass in dieser Aufstellung sämtliche Kunstsammlungen, Büchereien und anderes Kulturgut nicht enthalten ist. Ebenso unberücksichtigt blieben sämtliche Arbeitsleistungen ab 1945 im Rahmen der Zwangsarbeitsgesetze in den Kohlengruben, der Landwirtschaft, den Industrieunternehmen und den Internierungslagern.
Als sudetendeutsches Vermögen wurde ermittelt:
zum 30.9. 1938 13,33 Milliarden $ zum 8.5. 1945 19,33 Milliarden $
Die zwischen diesen beiden Daten aufscheinende Differenz in der Berechnung des Volksvermögens ist vor allem auf die höhere Bewertung des Realbesitzes in Deutschland und weiters auf die durch enorme Investitionen, verbunden mit einer gesteigerten Produktion, höheren Arbeitsleistung und höheren Einkommen zurückzuführen.
Um den Verlust sudetendeutschen Eigentums vergleichsweise zu anderen finanziellen Aufwendungen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit vorstellbar zu machen, eignet sich das ERP-Programm
(Marshallplan - Hilfe zur Rekonstruktion der westeuropäischen Wirtschaft) sehr gut. Bis 1952 erreichte die Wiederaufbauhilfe für 14 europäische Staaten einen Umfang von 12,4 Milliarden $, also um eine Milliarde weniger als das Vermögen der Sudetendeutschen noch 1938 betrug.
Zum Abschluss sei der Hinweis gestattet, dass die von Felix Ermarcora in dem Rechtsgutachten - im Auftrag der Bayrischen Staatsregierung - genannten Vermögensverluste mit den vorerwähnten nahezu identisch sind.
H. Mirtes
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Rechtsgutachten zu den Benesch-Dekreten
Vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union (2004) wurden verschiedene Völkerrechtsgutachten erstellt, die sich mit der offenen Frage der noch gültigen Benesch-Dekrete beschäftigen. Aus einem rund 40seitigen Gutachten von Prof. Dr. Dieter Blumenwitz wurde die Zusammenfassung entnommen, die wie folgt lautet.
1. Die Benesch-Dekrete, auf deren Grundlage 1945/46 3,2 Millionen Deutsche ausgebürgert und entrechtet wurden, sind nicht obsolet. Aufgehoben wurden nur jene Dekrete, die unmittelbar der Durchführung der Vertreibung dienten oder die Ansiedlung der neuen Bevölkerung regelten. Alle staatsangehörigkeits- und eigentumsrechtlichen relevanten Präsidialdekrete sind weiterhin in der Sammlung geltender tschechischer Rechte enthalten und nach tschechischer höchstrichterlicher Rechtssprechung auch Grundlage der neuen Rechtsordnung (Dreithaler-Entscheidung des Verfassungsgerichtes). Alle das Eigentum und den staatsangehörigkeitsrechtlichen Status betreffenden Dekrete gelten fort und müssen angewendet werden, wenn die tschechische Gesetzgebung, Verwaltung oder Rechtssprechung auf sie verweisen. Bedeutsame Beispiele für diese „Nachbefolgung“ sind die 1991 erlassenen Restitutionsgesetze. Nach der Entscheidung des tschechischen Obersten Gerichtshofes vom 29. Juni 2000 müssen die Dekrete der Nachkriegszeit nicht nur nachbefolgt, sondern auch „nachvollzogen“ werden: Zivilverfahren müssen ausgesetzt und Enteignungsverfahren nach altem Recht abgeschlossen werden.
2. Prüfungsmaßstab des vorliegenden Gutachtens, das meine völkerrechtliche Stellungnahme zu den zu den Dekreten vom 15. Mai 2002 ergänzt, sind die Kopenhagener Kriterien: Der Beitrittskandidat muss 1. Gewähr dafür leisten, dass er das geschriebene und ungeschriebene Gemeinschaftsrecht (acquis communautaire) einhalten kann. Er muss 2. die Grundsätze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie die Rechtsstaatlichkeit achten, dies gilt 3. auch hinsichtlich des Volksgruppenschutzes. In dem Maße, in dem die Europäische Union die Ziele der politischen Union durch Verwirklichung „einer immer engeren Union der Völker Europas“ anstrebt, hat die EU und ihre Organe auch Sorge dafür zu tragen, dass der Beitrittskandidat 4. seine außenpolitischen Probleme, die einer künftig immer engeren Zusammenarbeit im Wege stehen, bereinigt.
3. Das Gemeinschaftsrecht regelt weder die europäischen Nach- kriegsprobleme noch die nationale Eigentumsordnung. Durch die Gestaltung der nationalen Eigentumsordnung darf allerdings die Gemeinschaftsordnung nicht gefährdet werden. Das EU-Recht verbietet die Diskriminierung von EU-Angehörigen aus Gründen ihrer Staatsangehörigkeit. Die tschechischen Restitutionsgesetz-gebung ermöglicht bestimmten tschechischen Staatsbürgern den Erwerb von EU-rechtlich relevanten Immobilien (landwirtschaftlicher Besitz, Benesch-Dekret Nr. 12) auf eine Weise, wie sie für andere Unionsbürger, der sich in einer vergleichbaren Lage befinden, nicht gegeben ist.
4. Durch die tschechische Behauptung, die Restitution sei seit 1996 abgeschlossen, lässt sich die Diskriminierung nicht dem zeitlichen Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts entziehen. Zahlreiche Restitutionsfälle sind zur Zeit noch anhängig. Der UN- Menschrechtsausschuß hat in der Vergangenheit immer wieder die Restitutionsgesetzgebung kritisiert, die Tschechische Republik aufgefordert gesetzliche Regelungen zu ergänzen und neue Antragsfristen einräumen (vgl. unter 5). Die Konfiskation des sudetendeutschen Eigentums, die bei der Restitution bislang unberücksichtigt blieb, hat sich keineswegs bereits „1945 und 1946 zur Gänze vollzogen“. Sie ist nach wie vor völkerrechtswidrig und die Vermögensfrage ist „offen“. Der Vergleich mit den SBZ- Enteignungen (1945-1949) geht schon deshalb fehl, weil hier die Opfer durch den Staat, in dessen Hände die Vermögenswerte gelangt sind, entschädigt wurden.
5. Der UN-Menschenrechtsausschuss hat in einer Reihe eindrucksvoller Entscheidungen (Fälle Simunek, Adam, Des Four Waldero- de und Brok) die Diskriminierung durch die tschechische Restitutionsgesetzgebung verdeutlicht. Die Erkenntnisse beruhen auf Art. 26 des UN-Menschrechtspaktes, der nach der Rechtssprechung des EuGH zur Konkretisierung der europäischen Grundrechte herangezogen werden darf.
6. Das in der Tschechischen Republik fortgeltende Straffreiheitsgesetz verstößt gleichermaßen gegen europäische wie weltweit geltende Menschenrechte. Der Respekt vor den Opfern gebietet die uneingeschränkte Verpflichtung des tschechischen Staates, Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu klären und zu ahnden
7. Die Nachbefolgung der Benesch-Dekrete in der Tschechischen Republik wirkt sich negativ auf die dort siedelnde Minderheit aus, die gemäß des fortgeltenden Dekrets Nr. 5 als eine „unzuverlässige“ und damit auch tatsächlich gefährdete Volksgruppe angesehen werden muss. Die 1945 im Lande verbliebenen Deutschen verloren zwar nicht ihre Heimat, jedoch ihr gesamtes Vermögen. Auch sie werden durch die Restitutionsgesetzgebung diskriminiert.
D. Blumenwitz
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Die Nürnberger Rechtssprechung
… Bei der völkerrechtlichen Beurteilung der Vertreibung ist es unerlässlich, das Statut des Internationalen Militärtribunals von Nürnberg und seine Rechtssprechung zu berücksichtigen. Freilich wurden in Nürnberg nur die deutschen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt, aber da das Völkerrecht gleichermaßen für alle Staaten gilt, sind die in Nürnberg festgelegten Prinzipien ebenfalls für die Alliierten gültig und man kann und soll die alliierten Handlungen in Zusammenhang mit der Vertreibung daran messen. So stellt sich die Frage, ob Bevölkerungsumsiedlungen ganz allgemein nach dem Statut und nach der Rechtssprechung völkerrechtswidrig waren. Zur Debatte standen in Nürnberg die Bevölkerungsumsiedlungen, die vom Dritten Reich durchgeführt wurden, z.B. etwa 100.000 Franzosen aus Elsaß-Lothringen und von über einer Million Polen aus dem Warthegau.
Während der Moskauer Konferenz vom 19.-30. Oktober 1943 kündigten die Alliierten ihre Absicht an, deutsche Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen. Am 5. August 1945 wurde schließlich das Statut des Internationalen Militärtribunals in das Londoner Abkommen aufgenommen. Artikel 6 (b) dieses Status definierte Kriegsverbrechen wie folgt:
„Mord, Misshandlungen oder Deportationen zu Sklavenarbeit oder für irgendeinen Zweck von Angehörigen der Zivilbevölkerung von oder in besetzten Gebieten ..."
Artikel 6(c) definierte „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ dahingehend:
„Mord, Ausrottung, Versklavung, Deportation oder andere unmenschliche Handlungen, begangen an irgendeiner Zivilbevölkerung vor oder während des Krieges“...
Somit stellte die Nürnberger Rechtssprechung eindeutig fest, dass Massendeportationen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind. Und das zu einem Zeitpunkt, als die Vertreibung in vollem Gange war.
… „Der Zerfall der Tschechoslowakei kam nicht plötzlich und unerwartet und wir müssen eingestehen, dass die tschechischslowakische Verbindung in einem Staat von Anfang an nicht problemlos war. Obwohl die tschechische Seite die Slowaken als Bestandteil des „tschechoslowakischen“ Volkes gegen die Sudetendeutschen brauchte, ermöglichte der neue Staat der slowakischen Seite, sich vor der brutalen Magyarisierung zu retten. Die Slowakei war im neuen Staat trotzdem unzufrieden und das tschechisch-slowakische Verhältnis überlebte keine Krise des zwanzigsten Jahrhunderts problemlos. Beide Völker hatten in der Geschichte fast nie eine gemeinsame politische Meinung. Dagegen äußerte sich in jeder Krise das Bemühen der Slowaken, sie zur Stärkung ihrer eigenen Position im gemeinsamen Staat auszunützen oder die direkte Gewinnung der Unabhängigkeit zu erlangen. Andererseits verschwand nach dem Abschub der Sudetendeutschen das Grundmotiv, das hinter der tschechoslowakoscehn Idee stand.“ …
A. Oberwandling
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Jan Šinágl, 8.7.2013
Komentáře
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