Im Internet macht seit einigen Jahren ein Filmstreifen “1945 Lost German Girl” die Runde, der seitdem beachtliche Aufmerksamkeit erregte. Er zeigt eine schwer misshandelte junge Frau, die zögernd dem Rand einer einsamen Landstraße entlang taumelt, am Kilometerstein „78“ vorbei. Ihr linkes Auge ist zugeschwollen; Blut sickert aus ihrem Mundwinkel; in ihren Haaren sind Strähnen von Blut. Sie ist mit einem schwarzen Pulli und einer Soldatenhose bekleidet, die keinen Schluss auf Waffengattung oder Rang zulassen, sollte sie zur Wehrmacht gehören. Trotzdem wird sie im zugehörigen Bildtext „SS-Girl“ genannt. Ein Internet-Forum Teilnehmer jedoch erkannte sie als Hilde, die bei Skoda in Pilsen angestellt war. Ein anderer bemerkte, dass der Ort des Geschehens Ejpovice bei Pilsen war.
Die misshandelte Frau Frau ist nicht allein. Sie ist umgeben von einigen lebenden, einigen sterbenden und vielen toten männlichen Kameraden. Einer der Toten ist mit „P28-4/8/45-Haglund“ markiert. Demnach fand das Massaker am 8. April 1945 statt. (4/8/45 ist die amerikanische Schreibweise für 8.4.45) Andere Bildbeschriftungen lauten: „Dead German lying in ditch“; „Four dead Germans lying on road“; “Germans killed by Czechs lying in road”; “German dead with battered blood stained face”; “Half dead German in field” und einige mehr.
Der Filmstreifen „1945 Lost German Girl” ist einer von mehreren, die zu einem Film “1945 Czechoslovakia in Color“ zusammengefasst wurden, der wiederum zu „Liberated Czechoslovakia; wounded and dead Germans, POWs“ erweitert wurde. Zusammen zeigen sie zusätzlich Menschenmengen, die (vermutlich in Pilsen) ihren US-Befreiern zujubeln, Gefangennahme und Marsch deutscher Kriegsgefangener in ein Sammellager und, was mich am meisten erschüttert, als letzte Szene eine Gruppe grinsender und applaudierender Menschen am Straßenrand, die einen zu ihren Füssen liegenden toten Deutschen bespucken. Unter ihnen sind Kinder, manche davon nicht älter als ich es damals war. Offenbar wurde Tschechen damals bereits in jungen Jahren das Hassen gelehrt. Vermutlich gehören sie heute zu denen, die 7 Jahrzehnte danach noch immer die Auslöschung der sudetendeutschen Volksgruppe gutheißen und das Fortbestehen der damals von Benesch geschaffenen Rassendekrete fordern.
Die Geschichte der Filme ist folgende: Im Frühjahr 1945 schickte die US Army Air Force einen Kameramann namens Oren Haglund aus Hollywood nach Europa, um mit „VE/Victory in Europe Day“ zusammen hängende Ereignisse zu fotografieren und zu filmen. Im April und Mai 1945 arbeitete er in der Nähe von Pilsen, wohin die Spitze der 3. US Army unter General Patton vorgedrungen war. Dort wurde er Zeuge des oben beschriebenen Massakers. Haglunds Fotos und Filme wurden zunächst von der National Archives and Records Administration archiviert. Das US Holocaust Museum erwarb sie im August 2005, archivierte sie in den „Steven Spielberg Film and Video Archives“ und machte sie der Öffentlichkeit zugänglich.
Rudolf Pueschel
9.8.2014
* * *
Jan Šinágl, 10.8.2014
Read more...