Das Tauwetter zwischen Liechtenstein und der Tschechischen Republik führte zu einer Historikerkommission, welche die gemeinsame Geschichte aufarbeitete. Die Frage der Entschädigung für enteignete Vermögen blieb ausgeklammert.
Bei der EU-Erweiterung 2004, als auch der Beitritt der Tschechischen Republik zur Debatte stand, zögerte Liechtenstein als EWR-Mitglied mit seiner Unterschrift, um das neue EU-Mitglied zur vollständigen Anerkennung Liechtensteins als souveräner Staat zu zwingen. Der nur kurze Zeit dauernde Druckversuch blieb ohne Erfolg, so wie schon früher alle Bemühungen des Fürstenhauses und des Staates erfolglos geblieben waren. Seit den Konfiskationen, die 1945 im Rahmen der Beneš-Dekrete in der damaligen Tschechoslowakei durchgeführt wurden, konnten die bestehenden Eigentumsfragen nicht geregelt werden.
Von den Enteignungen betroffen waren, wie die Historikerkommission akribisch zusammenstellte, nicht nur das Fürstenhaus, sondern weitere 37 liechtensteinische Staatsangehörige. Der überwiegende Anteil der Vermögenswerte betraf freilich «die Liechtenstein», wie ein Blick auf die enteigneten Flächen liechtensteinischer Besitzer verdeutlicht: Im Besitz von Fürst Franz Josef II. und weiterer Mitglieder des Fürstenhauses waren 83 000 Hektaren der total 90 500 Hektaren enteigneter Bodenfläche. Auf den fürstlichen Ländereien, die rund dem Fünffachen der Fläche des Fürstentums Liechtenstein entsprachen, befanden sich auch Schlösser, Fabriken, Bergwerke und Wälder, die teils in Staatsbesitz und teils in private Hände übergingen.
Grosse Hoffnungen
Die Historikerkommission ist diesen ungelösten Eigentumsfragen nicht ausgewichen, enthält sich aber jeglicher Empfehlung über mögliche Schritte zur Bereinigung. Angeführt wird, dass die Ansichten über Rechtmässigkeit oder Unrechtmässigkeit damals wie heute auseinandergingen. Wie der Historiker Peter Geiger, einer der Vorsitzenden der Historikerkommission, an einer Medienkonferenz in Vaduz erklärte, hält die heutige Regierung ebenso am Standpunkt der Rechtmässigkeit fest, wie das die tschechoslowakischen Regierungen von 1945 bis zur 1989 erfolgten Aufgliederung in die Tschechische und die Slowakische Republik getan haben. Eigentumsverhältnisse aus einem bestimmten Zeitpunkt veränderten sich im Wandel der Zeit, gibt die Historikerkommission mit Blick auf die Komplexität allfälliger Entschädigungen zu verstehen, sie seien den Veränderungen des Umfeldes von Recht und Politik sowie wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen ausgesetzt. …
http://www.nzz.ch/aktuell/schweiz/ungeloeste-fragen-zwischen-liechtenstein-und-tschechien-1.18222069
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