Egal, wie die Wahl in Tschechien enden wird, Europa hat sich emotional längst entschieden. Hinter den Pressemitteilungen der letzten Tage verbirgt sich ein unausgesprochenes Kopfschütteln. Wer sich jetzt noch auf den Bestand eines Straffreistellungsgesetzes für die größten Verbrechen der Nachkriegsgeschichte beruft, um eine Präsidentschaft zu gewinnen, der kann nicht mehr ernst genommen werden.
Das umstrittene „Durchwinken“ der Beneš-Dekrete beim Zustandekommen des Lissabonvertrages sollte vielleicht eine neue europäische Basis ermöglichen, aber sicher nicht Gegenstand eines Wahlkampfjokers für tschechische Präsidentschaftswahlen werden. Wer wollte noch ernsthaft bezweifeln, dass Beneš sich heute vor einem europäischen Gericht verantworten müsste? Das Ergebnis der Wahl wird u.a. ein Lackmustest dafür sein, ob das tschechische Volk endlich moralisch stark genug ist, sich der Vergangenheit zu stellen und nicht mehr auf einen fragwürdigen und vor allem unwürdigen Rechtsschutz angewiesen ist.
Jan Šinágl, 22.1.2013
P.S.
Der tschechische Lackmustest - dieser Text verwendete ich als Kommentar in FAZ. Die Deutsche Presse hat meinen Beitrag registriert. J.Schmidt schreibt: "Auch tschechische Kommentatoren sprechen mit Blick auf den Inhalt der Debatten von einem "Lackmustest für die tschechische Nation". Soweit hat sich die D-Presse noch nie von der Political Correctness entfernt. Courage von Karel Schwarzenberg ist bewundernswert.
Am 25.Januar 2013, ester Wahltag (!!!), ist in der tschechischen Zeitung Blesk (Blitz - das tschechische Gegenstück von Bild) eine Anzeige gegen Karl von Schwarzenberg erschienen – auf der Ganze Seite. Es war entscheidend für die Niederlage von Karel Schwarzenberg.
J.Š. 27.1.2013
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