Im voll besetzten Vortragsraum des Prager Literaturhauses fand gestern im Beisein von Dolmetschern und tschechischen und deutschen Medienvertretern eine bemerkenswerte
Abendveranstaltung mit Diskussion zu dem immer noch aktuellen Thema der Vertreibung der Sudetendeutschen statt. Die deutsche Autorin Herma Kennel las eindrucksvolle und prägnante Textstellen aus ihrem Buch BERGERSDORF, das sich nicht auf die Greueltaten des Sommers 1945 fokussiert, sondern überwiegend die von Ahnungslosigkeit und Befreiungsgläubigkeit gekennzeichneten allttäglichen Begebenheiten in der Iglauer Sprachinsel in den Jahren davor schildert. Aufgrund der umfangreichen Recherchen der Autorin konnte, ohne dass sie es von vornherein beabsichtigt hatte, ein Massengrab mit ermordeten Deutschen in Dobronin ausfindig gemacht werden. „Das ist für mich immer noch ein Wunder“, meint die Autorin. Sie sagt, es habe sie viel Kraft und Überwindung gekostet, die grausamen Vorfälle zu beschreiben. Zwischenzeitlich hatte sie sogar überlegt, diese wieder zu streichen, hat dann aber dem Verlag die letzte Entscheidung überlassen. Von vielen Zeiteugen habe sie erfahren, dass die Ungewissheit über den Verbleib ihrer Angehörigen das Schlimmste sei. Die traumatischen Erlebnisse und der Verlust der Heimat blieben ein lebenslanger Schmerz.
Die Altersstruktur des sich sehr interessiert zeigenden Publikums war gut durchmischt. Neben Frau Kennel nahmen an der anschließenden Podiumsdiskussion teil: Luděk Navara, Journalist bei MFD (Junge Front heute), Viktor Bezdíček, Redakteur des Verlages PASEKA, Ondřej Matějka von ANTIKOMPLEX o.s. (Bürgervereinigung) als Moderator. Außerdem sagte der Geschäftsführer des SKS Prag (Sudetendeutsche Kanzlei im Prag), Peter Barton, einige Worte zu der Vorbereitung der tschechischen Ausgabe von BERGERSDORF. Unten sind alle Tonaufnahmen und Fotografien aufgeführt. Die Veranstaltung wurde unterstützt von der Landeshauptstadt Prag, dem Verlag PASEKA sowie der Konrad Adenauer Stiftung. Die Resonanz derjenigen, die das Buch schon gelesen hatten, waren durchweg positiv. Nach der Veranstaltung wurde lebhaft im Vorraum weiterdiskutiert. Es wurde deutlich, dass mit der Aufdeckung noch vieler Massengräber zu rechnen ist und Tschechien dieses Thema noch lange beschäftigen wird. Bergersdorf ist vermutlich erst der Anfang. Die Autorin wird heute ihre Lesereihe vor Ort in Dobronin forsetzen. Sie sagt, sie rechne dort mit allem.
Autorenlesung von Herma Kennel – deutsch
Auftritt von Luděk Navara – tschechisch
Diskussion – tschechisch und deutsch
Als Vorstandsmitglied unserer Bürgervereinigung in der Tschechischen Republik „Sudetendeutsche Landsmannschaft in Böhmen, Mähren und Schlesien“ hatte ich Gelegenheit, auch den Geschäftsführer des SKS Prag, Herrn Peter Barton, zu begrüßen. Dabei äußerte ich unsere Hoffnung auf nachfolgende erfolgreiche Zusammenarbeit nach Beendigung unseres Rechtsstreites bezüglich der Anerkennung unseres Vereines. Es gibt viel zu tun und wir sind dankbar für jede angebotene Hilfe. Immer häufiger melden sich jüngere und ältere Bürger mit sudetendeutschen Wurzeln, die an einer Mitgliedschaft in unserem Verein interessiert sind. Das lässt sich aber erst umsetzen, wenn die blockierende Auffassung des Innenministerium durch offizielle gerichtliche Anerkennung gegenstandslos wird. Ein entsprechendes Urteil wird noch in diesem Frühjahr erwartet. Wir sind optimistisch. Das Recht steht auf unserer Seite. Dass wir die Rechtmäßgkeit der die Sudetendeutschen betreffenden Benesh-Dekrete in unseren Vereinsstatuten nicht anerkennen, darf im Hinblick auf herrschende Rechtsgrundsätzen für die Aufnahme unserer Vereinstätigkeit kein Hinderungsgrund sein. Im Namen der Gerechtigkeit von gestern, heute und morgen!
Ich wollte den Toten eine Stimme geben
Herma Kennel, Autorin des Romans „Bergersdorf“, beschreibt ihren Weg durch das dunkelste Kapitel der deutsch-tschechischen Geschichte.
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„Wir leben in doppelten Geschichten, in denen, wie sie uns erscheinen und in denen, wie sie wirklich waren.“
Karel Bartošek
"Angst ist überhaupt die stärkste Antriebskraft in dieser Nation.“
Walter Koch über die Tschechen, deutscher Botschafter in Prag
"Unser Unglück begann mit dem Untergang des alten Österreich."
Emil Hácha
"Ein Staatsmann, der so viele Fehler im Namen der Nation begangen hat wie Beneš, hat die Pflicht, die hohe Politik umgehend zu verlassen."
Édouard Daladier an Štefan Osuský am 2.10.1939
"Die Zeitgeschichte ist infiziert wie eine Hure mit Syphilis."
Arthur Schopenhauer
Jan Šinágl, 29.3.2012
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