Sommer 1990: Wenige Wochen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs treffen sich zwei Jugendfreunde aus České Budějovice - der deutsche Arzt Karl Tomaschek und der tschechische Ingenieur Jan Hadrava - in einem südböhmischen Gasthaus. Das nächtliche Gespräch wird für beide zu einer schmerzhaften Begegnung mit der Vergangenheit, die Lücken in der Erinnerung und bis dahin Verdrängtes offenbart. Zehn Monate später wird Tomaschek nach einem plötzlichen Schneesturm erfroren auf der Terrasse einer österreichischen Hirtenhütte aufgefunden.
Der Literaturhistoriker und Autor Peter Becher schildert in diesem Roman das gordische Geflecht aus Freundschaft und Verrat, Triumph und Niederlage, Gewalt und Schwäche, das die tschechische Geschichte des 20. Jahrhunderts so schicksalhaft machte.
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Die Lesung fand am 20. September 2023 in der Prager Vetretung des Freistaats Bayern statt. Sie können sich die Aufzeichnung der Veranstaltung in deutscher Sprache anhören - der letzte Auszug sagt alles über unglückliche menschliche Schicksale.
Leider konnte ich der Abschlussdiskussion nicht beiwohnen (Verkehrsverbindung), bei der ich das unten stehende Zitat aus dem Buch von Josef Pekař (Geschichte der Tschechoslowakei, Prag 1921) gelesen hätte:
Pekař Josef (Tschechoslowakische Geschichte, Prag 1921):
„Die Aufzählung dessen, was die Deutschen geleistet und was sie uns gelehrt haben, wäre sehr umfangreich: Ihr wesentliches Werk waren der Städtebau, die Schaffung des Bürgerstandes und damit die spätmittelalterliche geistige und materielle Machtentfaltung und der Reichtum des Landes (Silberbergbau!). Im 19. Jahrhundert schufen sie die Großindustrie, und zwar in den von der Natur aus ärmsten Gegenden, die der Tscheche von je verschmäht hatte und wo der deutsche Kolonist noch dem schlechtesten Boden seinen Lebensunterhalt abzuringen verstand. Wenn wir wirtschaftlich und industriell fähiger, in der Administrative, Disziplin, in der Arbeitsleistung fortgeschrittener sind als die anderen östlichen Völker, dann danken wir das vor allem der deutschen Erziehung. Im Laufe der Jahrhunderte haben wir uns aber auch vielfach mit den Deutschen vermischt und viel deutsches Blut aufgenommen. Das hat unseren Charakter auch rassisch wesentlich verändert und wenn heute ein Viertel der Tschechen in Böhmen deutsche Namen hat, dann ist das keineswegs ein Dokument der Germanisation, sondern der Tschechisierung.“ (aus „Heimatkurier“, 1.6.23, leicht gekürzt)
WITIKOBRIEF, August 2023
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Dieses Buch wurde 1991 vom Ministerium für Bildung für die Liste der Schulbücher empfohlen. Ich habe die obige Passage weder in der neuen Ausgabe des Buches noch in der Originalausgabe von 1921 in der Stadtbibliothek in Prag gefunden. Daher kann ich die beiden Ausgaben nicht miteinander vergleichen. Aber ist es nicht seltsam, dass in der Ausgabe von 1991 die erste Ausgabe des Verlags von 1921 nicht erwähnt wird? Das Buch von Peter Becher hat noch keine tschechische Ausgabe erhalten. JŠ
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