Der slowakische Nationalrat hatte Anfang Februar 1945 in seiner Kaschauer Erklärung verkündet, dass die Stellung der magyarischen Minderheit in der neuen Tschechoslowakei von deren demokratischen Gesinnung bestimmt werden würde. Es sei die Pflicht aller demokratisch eingestellten Magyaren mitzuhelfen, alle anti-slowakischen Ressentiments und faschistischen Traditionen auszurotten. Am 3. Juli 1945 stellte die tschechoslowakische Regierung ihren Plan für einen magyarisch-slowakischen Bevölkerungsaustausch vor. Prag wollte seine magyarische Minderheit dezimieren und im Gegenzug Slowaken aus Ungarn aufnehmen. 450.000 Magyaren sollten so nach Ungarn ausgeliefert werden, im Gegenzug sollte die Tschechoslowakei 350.000 Slowaken von Ungarn übernehmen. Ungarns Außenminister Janos Gyöngyösi hatte schon am 12. Mai 1945 bei den USA und Großbritannien nachgefragt, wie beide Regierungen zu einer Aussiedlung von 200.000 Schwaben stehen würden, da Budapest Platz für die umzusiedelnden Magyaren aus der Tschechoslowakei schaffen müsse. Washington verwies Budapest auf die Konferenz in Potsdam, dort werde man diese Frage behandeln.
Im Unterschied zu den Sudetendeutschen sprach Prag den eigenen Magyaren das Recht zu, ihr totes und lebendes Inventar mitnehmen zu dürfen.
Auf der anderen Seite fanden im Sommer 1945 die wilden Vertreibungen statt, in deren Folge mindestens 800.000 Sudetendeutschen über die Grenzen nach Deutschland oder Österreich gejagt wurden. Ihr Vermögen wurde entschädigungslos enteignet, Zehntausende wurden ermordet oder von Hunger oder Krankheiten dahingerafft.
Was die Haltung der Alliierten zum bilateralen Bevölkerungsaustausch zwischen der Tschechoslowakei und Ungarn betraf, war sie uneinheitlich. So meinte etwa Clark Kerr als US-Geschäftsträger in Prag, dass Washington keine einseitige Aktion der Tschechoslowakei dulde, da der Transfer von ethnischen Minderheiten nur unter internationaler Schirmherrschaft und in Übereinstimmung mit internationalen Regelungen erfolgen dürfe. Trotz alliierter Bedenken hatte Prag im Zeitraum Ende Mai bis Ende Juni 1945 knapp 32.000 feindliche Ungarn ausgesiedelt, denen Kollaboration mit dem faschistischen Feind vorgeworfen wurde. Moskau sprach sich dann in Potsdam für eine bilaterale Klärung zwischen Prag und Budapest aus. Bis 1946 konnte schließlich eine vertragliche Vereinbarung getroffen werden. Der von Prag 1945 geforderte Umfang wurde jedoch nicht einmal ansatzweise erreicht. Der magyarisch-slowakische Bevölkerungsaustausch betraf 1946 letztlich nur 72.000 Slowaken und 89.000 Madjaren.
Peter Wassertheurer
WITTIKOBRIEF August 2023
Read more...