Was ein böhmischer Adeliger in Prag erlebte
Sie werden immer weniger: Die Zeitzeugen in Tschechien, die aus eigenem Erleben über die Gräuel an Deutschen berichten können. Im Alter von 97 Jahren ist am 19. Jänner Graf Zdeněk Filip Maria Emanuel Jiří Ignatius Sternberg aus einem der ältesten böhmischen Adelsgeschlechter gestorben. Sternberg hat das Kriegsende in Prag erlebt. Ihm blieben nicht nur die sowjetischen Panzer auf der Kleinseite und die Barrikaden nahe dem Nationaltheater in Erinnerung, sondern auch die Verbrechen, die Verbrechen, die von Tschechen begangen worden sind. „Es war ein grausamer Anblick“, berichtete er vor Jahren in einer Sendung des Tschechoslowakischen Rundfunks.
„In der Moldau schwammen Leichen. Es waren Leichen alter Frauen oder Kinder, denn deutsche Männer waren noch an der Front. Mitglieder der ‚Revolutionsgarden‘ holten Deutsche aus ihren Wohnungen und warfen sie in den Fluss. Im Tyrs-Haus war ein deutsches Feldlazarett aufgestellt. Die Verletzten mussten rausgehen und wurden erschossen. Die Toten lagen dort, die Menschen gingen an ihnen vorbei. Das ist das Letzte, was ich noch aus dieser Zeit erwähne, ich will nicht mehr darüber sprechen. Mich hat das psychisch stark belastet, dass die Menschen imstande sind, so etwas zu tun.“
Kurz nach Kriegsende wurde der Vater des Adeligen zum ersten Vorsitzenden des örtlichen Nationalausschusses in Böhmisch-Sternberg ernannt. Das Amt hatte er allerdings nur wenige Monate inne. „Dann kam die Kreisverwaltung in Beneschau zu dem Schluss, dass er ein Klassenfeind sei“, erinnerte sich der Sohn in der genannten Radiosendung. „Und so verlor mein Vater diesen Posten wieder, was ihn allerdings nicht besonders gestört hat. Die Jahre von 1945 bis 1948 an waren die Jahre der Pseudodemokratie. Wir waren der naiven Meinung, dass das Volk, nachdem es von der nationalsozialistischen Besatzung befreit worden war, doch nicht für eine weitere Unterdrückung durch die Kommunisten sein würde. Dann aber endeten die Wahlen mit dem Sieg der Kommunisten.“
Die Sternbergs waren 1661 von Kaiser Leopold I. in den Reichsgrafenstand erhoben worden. Sie hatten Besitzungen nicht nur in Böhmen und Mähren, sondern auch in Manderscheid (Eifel) im heutigen deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz. Nach 1938 geriet die Adelsfamilie in den Fokus der NS-Herrschaft. „Es gab intensive Bemühungen, meinen Vater dazu zu zwingen, für das Deutsche Reich zu optieren. Und er wurde von der Gestapo bedroht“, erinnerte sich Zdenek Sternberg. Das Eigentum der Familie wurde konfisziert, es wurde ihr nur noch die Nutzung ihrer Wohnung zugestanden.
Der jetzt verstorbene Adelige emigrierte nach dem Prager Frühling 1968 nach Österreich. 1989 erhielt er die Burg der Familie und andere Besitzungen zurück.
SUDETENPOST 4.Feber 2021
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„Die Nationen sind die natürlichen Organe der Menschheit. Die Menschheit ist eine Organisation von Nationen. Je nationaler, desto menschlicher, je menschlicher, desto nationaler.“
Tomáš G. Masaryk 1918 in seinem großen Buch über die Weltrevolution
J.Š. 13.2.2021
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