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Kategorie: Deutsche Artikel

Ich hoffe innig, dass die Europäische Union den gesunden Menschenverstand bewahrt. Niemand kann die Mitgliedländer dazu bringen, im Zuge des Beitritts Kroatiens eine Ausnahmeregelung vom Lissabon-Vertrag für die CR zu ratifizieren, denn trotz des vagen Ansatzes im letzten Jahr handelt es sich letztlich um eine hoheitliche Frage.

Was verbirgt sich hinter der Furcht mit den Benes-Dekreten

Die Forderung nach einer Ausnahmeregelung durch den Präsidenten Vaclav Klaus ist in diesem Jahr genauso unsinnig, wie schon im letzten Jahr. Hinter der Angst vor der Auflösung der Benes-Dekrete verbirgt sich lediglich die Befürchtung der Bevölkerung, Verantwortung für die Taten der Vorfahren übernehmen zu müssen. Diese werden zwar, wegen des schlechten Gewissens, vom Volk überwiegend gebilligt, in der Tiefe der Seele ist aber allen das damit verbundene Unrecht bewusst. Ein Widerruf der Benes-Dekrete durch den Gerichtshof der Europäischen Union ist zwar nicht absehbar, doch sollte er sich abzeichnen, wird sich der europäische Gerichtshof nicht dagegen verwehren, denn die Benes-Dekrete sind ohne Zweifel ungerecht und unvertretbar.

Was geschieht denn, falls unsere früheren Bürger gerichtlich bei der EU möglicherweise Anspruch auf ihren ehemaligen Besitz erheben? Nun, es war doch ihr Eigentum, welches ihnen der tschechische Staat ohne jegliche Kompensation entwendet hat, warum sollten wir uns dann wundern? Und dass sich diese Leute gegen den tschechischen Staat vergangen haben? Manche sicherlich, andere nicht, aber enteignet wurden ohne Ausnahme alle, letztlich auch die sogenannten „Antifaschisten“, die nicht ausgebürgert wurden. Aber auch bei denjenigen, die sich nachweislich vergangen haben, war der Staat zur generellen, flächigen und ersatzlosen Enteignung nicht berechtigt.

Das Eigentumsrecht ist doch nicht an politische oder strafrechtliche Unbescholtenheit geknüpft. So manchem Mitarbeiter des kommunistischen Apparats, Angehörigen des Geheimdienstes und anderen Funktionären wurde im Zuge der Restitution ihr früheres Eigentum, sofern es vor 1948 im Besitz war, ja auch wieder zuerkannt und niemand bezweifelt heute die Rechtmäßigkeit.

Wir sollten und den Dingen stellen

Anstatt Ausnahmen zu fordern und dem ständigen Beharren auf den Benes-Dekreten wäre es besser und sinnvoller, wenn sich der tschechische Staat der Angelegenheit stellen würde und im Rahmen seiner Möglichkeiten eine Kompensation des entwendeten Eigentums prüfen würde oder sich zumindest um einen teilweisen Ausgleich mit seinen ehemaligen Bürgern bemühen würde. Letzten Endes sind nur noch wenige am Leben.

Jan Rychlik, Universitäts-Professor für Geschichte

Lidové noviny (Volkszeitung), 4.10.2010

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