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Kategorie: Deutsche Artikel

Hitlers Tschechen… Die Zahl der tschechischstämmigen und tschechischen Soldaten im Dienst mit der deutschen Waffe im Zweiten Weltkrieg – und dementsprechend auch die der Todesopfer – war viel höher als jene von Tschechen, die in den oftmals von den tschechoslowakischen Juden dominierten Auslandsarmeen und Legionen der Alliierten kämpften …

Mitten im Krieg (1942), drei Jahre nach der Errichtung des Protektorates Böhmen und Mähren, wurde mit der Gründung des „Kuratoriums für Jugenderziehung in Böhmen und Mähren“ ein wichtiger Versuch zur Lösung der „tschechischen Frage“ nach dem sogenannten Endsieg des Reiches in die Wege geleitet. Dieses Konzept sah vor, nach eingehenden „rassischen Bestandsaufnahmen“ der hiesigen Bevölkerung einen beträchtlichen Großteil des tschechischen Volkes in einem jahrzehntelangen (wenn nicht mindestens ein Jahrhundert dauernden), durch soziale Anreize geförderten und auf subjektiver Freiwilligkeit beruhenden „Umvolkungsprozeß“ im „deutschen Volkskörper“ völlig aufgehen und ihn somit mit den Deutschen absolut gleichberechtigt an den „sozialen und kulturellen Errungenschaften“ des Dritten Reiches teilhaben zu lassen.

Von den höchsten Stellen (H. Himmler, Reichsjugendführung, K. H. Frank) aufwendig unterstützt, gelang es dem Jugendkuratorium – dem tschechischen Pendant der HJ – in Rekordzeit die Hälfte der gesamten tschechischen Jugend in seinen Reihen zu erfassen. Ziel war die Erziehung einer nationalsozialistisch denkenden, körperlich gestählten, tschechisch-nationalen und gleichzeitig reichstreuen Jugend, die mit der Generation ihrer Väter und Großväter und deren traditionell „deutschfeindlichem“ Gedankengut ideologisch endgültig brechen sollte. Tatsächlich konnten diese Umerziehungsbestrebungen insbesondere unter den jüngsten Tschechen verblüffende Erfolge zeitigen. Die „tschechoslowakische Exilregierung“ in London sah diese Entwicklung mit großer Beunruhigung, zumal sie bemüht war, den Alliierten einen aktiven tschechischen Widerstand gegen die Deutschen vorzutäuschen (Beneš musste bekanntlich die Westmächte von seinen Aussiedlungs- und Enteignungsplänen der Sudetendeutschen nach dem Krieg erst durch aktiven tschechischen Beitrag überzeugen). Und spätestens jetzt erkennt der aufmerksame Leser einen der vielen Anknüpfungspunkte an die Ereignisse in Böhmen und Mähren nach Kriegsende und an das Schicksal der sudetendeutschen Bevölkerung.  Nur ein Jahr nach dem Mordanschlag auf Reinhard Heydrich und der Vernichtung des Dorfes Lidice durch die Nazis strömten aber in Prag aus freien Stücken Zehntausende von erwachsenen Tschechen trotz Boykottaufrufen des Beneš-Exils zu den Veranstaltungen des Jugendkuratoriums.

Der Autor beschreibt sehr akribisch aber nicht nur das damalige ideologische Ringen um die tschechische Jugend. Er erklärt gleich aus mehreren Blickwinkeln heraus (Jugenderziehung, Rassenproblematik, Schulwesen und Sozialpolitik) mit einem hohen Maß an wissenschaftlicher Objektivität und erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges fern jeder ideologischen Einwirkung durch die geltende, der tschechischen Staatsräson dienende offizielle Geschichtsschreibung die Gründe für die sehr spezifische NS-Volkstumspolitik gegenüber den Tschechen, die sich von jener gegenüber etwa den Slowaken, Polen, Holländern, Dänen, Ungarn oder Italienern doch sehr unterschied. Die tatsächlichen langfristigen Ziele dieser NS-Volkstumspolitik in Böhmen und Mähren bedürfen umso mehr einer objektiven Betrachtungsweise, als gerade die vermeintlichen gegen die Tschechen gerichteten physischen NS-Vernichtungspläne aus der Sicht der „Odsun“-Befürworter als eines der „moralischen Hauptargumente“ für die sogenannte Entgermanisierung des Landes nach 1945 herangezogen werden.

Beer stieß in Archiven überdies auf offensichtlich von der tschechischen Historiographie selektiv behandeltes Material, das in diesem Buch erstmals in deutscher Sprache zugänglich gemacht werden konnte. Darunter auch auf eine von der Prager Historikergemeinde bis heute geheim gehaltene Namensliste mit über 80 tschechischen Bürgern, die den deutschen Behörden tatkräftig bei der Ermittlung der Heydrich-Attentäter Unterstützung leisteten (mitsamt den ihnen jeweils ausbezahlten finanziellen Gegenleistungen). 

Inwiefern der Name des tschechoslowakischen „Exil-Staatspräsidenten“ Edvard Beneš mit der Vertreibung der Sudetendeutschen in Verbindung gebracht werden kann, weiß der „Sudetenpost“- und SdP-Leser mehr als gut genug. Weniger gut vielleicht, dass Beneš selbst im Frühjahr 1945 nur knapp einem Attentat entging. Der Attentäter – ein junger Funktionär des erwähnten Jugendkuratoriums – verstarb erst 2011 als angesehener Mann in einer böhmischen Kleinstadt, ohne dass seine Umgebung auch nur das Geringste von seiner Vergangenheit ahnen konnte. Ähnlich wie im Fall des von den tschechischen Historikern hinlänglich beleuchteten Attentates auf Heydrich beabsichtigten die deutschen, tschechischen und slowakischen Initiatoren des Beneš-Attentates auch klare politische Ziele demonstrativen Charakters – nämlich ein Signal an die Westmächte, dass die Tschechen und Slowaken keineswegs die Wiedererrichtung einer „Beneš-Tschechoslowakei“, und somit eines sowjetischen Satelliten-Staates wünschen. Denn mit den Moskauer Zugeständnissen an Stalin vom Dezember 1943 hatte Beneš das Schicksal von Böhmen und Mähren im Sinne der kommunistischen Vorherrschaft bereits besiegelt. Im Buch wird auch eindrucksvoll geschildert, wie sich der vormalige „Führer der tschechischen Jugend“ František Teuner nach den dramatischen Ereignissen des Mai 1945 und seiner Flucht über Österreich nach Bayern noch verzweifelt um Kontaktaufnahme mit dem tschechischen General Lev Prchala (dem späteren Unterzeichner des Wiesbadener Abkommens und ersten Preisträger des Europäischen Karlspreises der Sudetendeutschen Landsmannschaft) in London bemüht hatte, ehe er von den Amerikanern an die tschechoslowakische Justiz ausgeliefert wird und in Prag verurteilt wurde.

Die Studie geht sogar über diese spannenden Feststellungen hinaus und belegt ein neues tabuisiertes Faktum. Dass die Bevölkerung des Protektorates einen enormen Beitrag für das Rüstungspotential des Reiches geleistet hat, ist längst bekannt. Jedoch nicht Folgendes: Die Zahl der tschechischstämmigen und tschechischen Soldaten im Dienst mit der deutschen Waffe im Zweiten Weltkrieg – und dementsprechend auch die der Todesopfer – war viel höher als jene von Tschechen, die in den oftmals von den tschechoslowakischen Juden dominierten Auslandsarmeen und Legionen der Alliierten kämpften. Andere Kapitel beleuchten wiederum die Problematik der rechtlichen und sozialen Gleichstellung des tschechischen Arbeiters im Dritten Reich sowie die – ebenfalls von den Historikern ausgeblendete – Eröffnung der Möglichkeit des Studiums von Tschechen an deutschen Universitäten und sogar an den „elitären“ Napola-Schulen.

Im wahrsten Sinne des Wortes „veranschaulicht“ wird im Buch ein überraschend unbekanntes Antlitz des Lebens im Protektorat durch ein exklusives, bisher nie veröffentlichtes Fotomaterial (170 Bilder), das der Nachkriegsöffentlichkeit dank „Desinteresse“ der tschechischen Historiker andernfalls für immer verborgen geblieben wäre.

Die hier vorliegenden und mit exaktem Quellennachweis (über 800 Fußnoten) belegten neuen und bis jetzt verschwiegenen Erkenntnisse sind von immenser Bedeutung und nicht nur für eingefleischte Verfolger der mit Spannung beladenen tschechisch-(sudeten) deutschen Geschichte eine höchst interessante Lektüre. Mit Hilfe der im Buch oft zitierten geheimen, vom deutschen Sicherheitsdienst verfassten Situationsberichte und Meldungen aus dem Protektorat, deren sich die tschechischen Historiker in ihren Veröffentlichungen bisher nur sehr selektiv bedienten, illustriert dieses Buch authentisch auch die Befindlichkeiten des „einfachen tschechischen Mannes“ jener Zeit und wirft insgesamt ein neues Licht auf die gewaltsame „Entgermanisierung“ des Landes nach 1945.

 

Hier können Sie eine weitere (Kurz-)Rezension einsehen.

 

Sudetendeutscher Pressedienst (SdP)                                      

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Web: www.sudeten.at

Wien, am 04. Jänner 2018

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