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Kategorie: Deutsche Artikel

Sudetendeutsche: Im Streit um die kritisierte Satzungsänderung hat die Führung der Landsmannschaft eine juristische Schlappe hinnehmen müssen

Der Bundesverband der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL), in dessen Reihen seit zwei Jahren ein erbitterter Richtungsstreit ausgetragen wird, ist durch einen Richterspruch aufs Neue in Turbulenzen geraten. Das Landgericht München 1 hat am Donnerstag vergangener Woche alle Beschlüsse der Bundesversammlung vom Februar 2016 für nichtig erklärt.

Sie betrafen unter anderem die Zusammensetzung des Vorstandes und einen Passus in der Satzung, der als Zweck die Forderung nach „Wiedergewinnung der Heimat“ und nach Resti­tution beziehungsweise Entschädigung für das den Deutschen aus Böhmen, Mähren und Schlesien geraubte Eigentum festgeschrieben hat. AufInitiative der „Reformer“ um denSL-Sprecher und Bundesvorsitzenden Bernd Posselt (CSU) war dies geändert worden. Dagegen hatten Mitglieder, vornehmlich aus dem nationalkonservativen Witikobund, heftig opponiert und schließlich geklagt.

Satzungsänderung nicht rückgängig machen

Laut ihrem Rechtsbeistand hat das Gericht in dem noch nicht veröffentlichten Urteil festgestellt, dass auch die Wahl Posselts zum Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe nichtig sei. Nun muss zu allem Überfluss die Beklagte, also die Führung der Landsmannschaft, die Kosten des Verfahrens tragen. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils können Posselt und seine Vorstandskollegen Berufung einlegen.

Offensichtlich kam das Gericht zu dieser Entscheidung, weil verfahrensrechtliche Fehler bei der Einberufung und dem Verlauf der Bundesversammlung vorlagen. Der inzwischen verstorbene Alterspräsident Edmund Liepold hatte wegen solcher Mängel die Sitzung kurz nach der Eröffnung zunächst geschlossen. Sie war dann, veranlasst von Posselt, unter Leitung eines anderen fortgesetzt worden.

Die SL-Spitze in München gab sich nach Bekanntwerden des Richterspruchs sehr zurückhaltend. Die Pressesprecherin verbreitete lediglich eine kurze „Klarstellung“, mit der darauf hingewiesen wurde, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig sei und es daher „bislang keinerlei juristische Konsequenzen“ habe. Sobald die Begründung vorliege, würden sich die Juristen des Verbandes damit befassen.

Posselt und seine Mitstreiter stehen vor einem doppelten Problem. Sie müssen ihren Gesprächspartnern in der tschechischen Politik versichern, dass sich am „Reformkurs“ der SL nichts ändern werde. Denn für Prags Vizepremier Pavel Belobradek, den Vorsitzenden der tschechischen Christdemokraten, war die Satzungsänderung Voraussetzung für seinen Auftritt auf dem Sudetendeutschen Tag 2017 in Augsburg. Auf der anderen Seite müssen sie versuchen, den innerlandsmannschaftlichen Konflikt so einzuhegen, dass er nicht zu einer Spaltung der SL führt.

Leicht wird das nicht werden, hat doch Posselt während des Pfingsttreffens in Augsburg (JF 24/17)bereit durchblicken lassen, dass er an der umstrittenen Satzungsänderung in jeden Fall festhält: Sie werde niemals mehr rückgängig gemacht, „auch wenn wir zehnmal abstimmen“.

GERNOT FACIUS

Aus der Jungen Freiheit vom 07.07.2017, S. 6

* * *

Kommentar von Karin Zimmermann:

1) Ganz toll, wenn man so ein Mitglied hat, das sich „Sprecher“ nennt. Er betätigt sich auch als Wahrsager, indem er glauben macht, dass ihm seine Mitglieder folgen werden, wenn er nach zehnmaliger Abstimmung zehn weitere - nicht gerade billige - Prozesse verliert, die „seine“ SL jedes Mal bezahlen muss.

2) Anders als Gernot Facius schreibt, haben Posselt und seine Getreuen nicht zwei, sondern drei Probleme: Die Konservativen haben einen mächtigen Partner: Das Recht. Es besteht darin, dass das Recht auf Wiedergutmachung eines Völkermordes ein persönliches Recht ist, über das die betroffene Person, nicht aber die Landsmannschaft verfügen kann.

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